Barsikow: das Dorf der sieben Meilensteine
Das Dorf Barsikow hat insgesamt 6 Ganzmeilensteine, Halbmeilensteine und Viertelmeilensteine angesammelt sowie einen „Rundsockelstein“, der wahrscheinlich einmal Teil eines Meilensteins gewesen ist.
Die Meilensteine sind um 1828 am Straßenrand aufgestellt worden, als die „Neue Hamburger Chaussee“ (heutige B5) in dieser Region gebaut wurde als Ersatz für die alte Poststraße, die nördlich von Barsikow von Ganzer nach Wusterhausen verlief. Die Ganzmeilensteine, Halbmeilensteine und Viertelmeilensteine dienten dazu, Entfernungen festzulegen um, zum Beispiel, Kosten für die Instandhaltung der Straße oder Posttarife festzustellen.
Manche Meilensteine kamen dann zur anderweitigen Verfügung, als in den Jahren 1872-1873 das metrische System in Deutschland eingeführt wurde. Statt an jeder Meile (7,42 km) musste dann alle 10 km ein „Distanzstein“ aufgestellt werden. Dafür wurden die alten Meilensteine wiederverwendet. In Segeletz steht, zum Beispiel, so ein wiederverwendeter Meilenstein vom gleichen Typ wie die beiden Ganzmeilensteine in Barsikow. Der nächste Stein steht 10 km weiter zwischen Wusterhausen und Heinrichsfelde. Durch die größere Distanz zwischen den Steinen war ein Viertel der alten Meilensteine nicht mehr in dieser Funktion notwendig. Offensichtlich wurden diese dann an Interessierte verkauft. Dabei hat der damalige Barsikower Gutsbesitzer, von Kriegsheim, wahrscheinlich neben den Ganzmeilensteinen auch die Halb- und Viertelmeilensteine erworben, die momentan noch in Barsikow zu finden sind.
Die Ganzmeilensteine sind aus Sandstein gemacht und haben die Form eines ca. 3 Meter hohen Obelisken auf einem ca. 20 cm hohen Sockel. Auf dem Titelbild stehen die beiden Barsikower Ganzmeilensteine, wie sie von der Straße aus sichtbar sind. Die beiden Steine stehen mit ihrer ursprünglichen „Straßenseite“ nun an der Hofseite, also 180 Grad gedreht verglichen mit ihrer Position an der ehem. „Neuen Hamburger Chaussee“. Deswegen ist die heutige Straßenseite nicht beschriftet. Von Kriegsheim hat diese beiden Ganzmeilensteine verwendet, um die Auffahrt zu seinem „Neuen Schloss“ zu markieren. Dieses Gutshaus wurde am Ende des 19. Jahrhunderts gebaut. Dabei hat er die Seite der Steine mit dem Adler und mit der Beschriftung so gestellt, dass diese vom Hof aus sichtbar war. An der Straßenseite hatte er die eigenen Familienwappen angebracht. Dieses ist ersichtlich von einer Zeichnung des Einganges zum „neuen Schloss“ aus 1917, die als Postkarte damals herausgegeben wurde vom Verlag W. Hannemann, Potsdam. (Postkarte von Frau Christa Petznick, Barsikow ans Dorfarchiv zur Verfügung gestellt)
Die Tatsache, das diese Steine als Markierung der Einfahrt dienten ist heute noch ersichtlich am eisernen Radabweiser unten am westlichen Meilenstein. Auf der Zeichnung sind noch zwei dieser Radabweiser pro Stein zu sehen. Übrigens ragte der Sockel früher deutlich weiter aus dem Boden heraus.
Vor den heute noch an dieser Stelle stehenden Ganzmeilensteine standen 1917 noch zwei Obelisk Steine – wahrscheinlich ehemalige Postmeilensteine (Ganzmeilensteine) von der ehem. Poststraße. Der Verbleib dieser Steine ist nicht bekannt.
Auf dem westlichen Stein steht auf der (ursprünglichen) Vorderseite „X Meilen bis Berlin“. Es ist auffällig, dass die Buchstaben für „Meilen bis Berlin“ deutlich tiefer in den Stein gemeißelt sind als die X (römisch 10). Möglicherweise wurden die Steine in Serie angefertigt und in der Werkstatt der für alle Steine identische Text „Meilen bis Berlin“ eingemeißelt. Die Zahl der Meilen musste dann später, abhängig vom Standort, wahrscheinlich von einem anderen Steinmetz noch aufgebracht werden.
Der Text auf den beiden Seitenflächen des Steines ist in 2020 teilweise nur noch schlecht zu lesen. Die Zahl für die Meilen bis Friesack ist unleserlich geworden. Weil das Wort Meile im Singular steht, muss es wohl eine einzige Meile gewesen sein. Übrigens steht der Name von Friesack als „Friesach“ falsch geschrieben. Auf der anderen Seite steht „1 1/2 Meile bis Wusterhausen“.
Diese Fotos der Meilensteinen sind bearbeitet um die Schriftzüge so gut wie möglich sichtbar zu machen.
Olaf Grell (s. unten) beschreibt 2012 schon, dass an der linken Seite „1 Meile bis Friesack“ und an der rechten Seite 1 1/2 Meile bis Wusterhausen gestanden haben soll. Die Beschriftung bedeutet, dass der Stein an der östlichen Seite der Chaussee (B5) gestanden haben muss, an der rechten Straßenseite aus Berlin kommend. Die Entfernung zwischen Friesack und Wusterhausen (Dosse) auf dem Stein stimmt: 2,5 Preußische Meilen = 19 km. Dieser Stein hat also ca. 7,5 km von Friesack entfernt in Richtung Wusterhausen gestanden, d.h. im Dreetzer Wald an der B5, etwas südlich von der Abfahrt nach Dreetz.
Auf dem östlichen Stein steht auf der Vorderseite „VI Meilen bis Berlin“. Die Tatsache, dass der 6. und der 10. Meilenstein zur Verfügung kamen, stimmt also überein mit der Umstellung von 7,5 km auf 10 km Entfernung, wobei jeder vierte Stein überflüssig wurde. Von Kriegsheim hat also die beiden nächsten Ganzmeilensteine erworben, die von der Strecke nach Berlin in den Verkauf kamen.
Auf dem östlichen Stein sind die Texte auf den Seitenflächen kaum noch zu lesen. Olaf Grell schreibt, dass auf der linken Seite steht: „3/4 Meilen bis Nauen“ und auf der rechten Seite „3 Meilen bis Friesack“. Weil die Entfernung zwischen dem 6. und dem 10. Meilenstein 4 Meilen war, stimmt es, dass der 6. wohl 3 Meilen vor Friesack gestanden haben muss, wenn auf dem 10. 1 Meile nach Friesack stand (von Berlin aus gesehen). Der östliche Barsikower Stein stand also ursprünglich zwischen Berge und Ribbeck an der B5.
Olaf Grell schreibt auch, dass die Schrift an den Seiten im Originalzustand wohl in schwarzer Farbe ausgelegt war und auch der Adler schwarz eingefärbt war. Beides sei 2012 schon nur noch zu erahnen gewesen. Das ist 2020 nicht besser geworden!
Mittlerweile sind diese beiden Ganzmeilensteine besondere Exemplare geworden: Bei allen wiederverwendeten Steinen wurde die Meilenanzeige entfernt und mit Kilometeranzeigen ersetzt. Offensichtlich sind von den damals „überflüssigen“ Steinen nur noch ganz wenige gerettet worden. Hinzu kommt noch, dass bei allen Meilensteinen in der ehemaligen DDR in den sechziger Jahren der in Ungnade gefallene deutsche Adler entfernt werden musste. Das traf natürlich an erster Stelle die prominent an der B5 aufgestellten Meilensteine. Aber die beiden Barsikower Steine wurden wahrscheinlich auch dadurch verschont, dass die Vorderseite (die ehemalige Straßenseite des Meilensteins) in Barsikow Richtung Schloss stand, so dass der Adler den Passanten nicht auffiel. So sind die beiden Barsikower Meilensteine zwei von nur noch vier existierenden Meilensteinen mit einem Adler.
Beim Segeletzer Meilenstein ist gut zu sehen, dass der Adler tatsächlich abgehackt wurde. Es wird gemunkelt, dass pfiffige Steinmetze den Adler so herausschlugen, dass seine Konturen sichtbar blieben – wie das in Segeletz offensichtlich der Fall ist. Beim Meilenstein zwischen Wusterhausen und Heinrichsfelde sind die Konturen des Adlers dagegen nicht mehr zu sehen.
Olaf Grell hat im Mai 2012 geschrieben über die Barsikower, aber auch andere Meilensteine: „Meilensteine in und bei Barsikow, dem „Meilensteindorf“ (MeilensteineBarsikowOlafGrell2012). Für weitere Informationen über Meilensteine auf dem Gebiet des ehemaligen norddeutschen Bundes verweisen wir an die Forschungsgruppe Meilensteine e.V.
Neben den Ganzmeilensteinen gibt es in Barsikow noch zwei Halbmeilensteine und zwei Viertelmeilensteine zu sehen. Viertelmeilensteine sind am kleinsten und bestanden in der Zeit um 1830 in dieser Region nur aus einem einzigen Granitwürfel, an dem vier oberen Ränder abgeschrägt waren. Der Halbmeilenstein bestand ebenfalls aus einem Granitwürfel, wie beim Viertelmeilenstein, stand aber auf einem Sockel mit abgeschrägten Rändern. Würfel und Sockel sind aus einem Stück. (siehe Bilder) .
Laut Aussage der Barsikowerin Christa Petznick markierten beide Halbmeilensteine den westlichen Eingang zu dem zum „neuen Schloss“ gehörenden Gutspark. Hier befindet sich jetzt der Eingang zur Festwiese am Parkweg. Mitte des 20. Jahrhunderts waren diese durch wuchernde Pflanzen kaum noch sichtbar gewesen. Anfang der achtziger Jahre wurden im ehemaligen Schlosspark am heutigen Parkweg Häuser gebaut: Die Nummern 5a und 5b. Der Barsikower Eckhard Bork hat damals gesehen, wie einer der Halbmeilensteine beim Baggern für den Keller des Hauses Parkweg 5a auf einen Transport mit Baggererde gelang und zur Deponie (Sandgrube) zwischen Nackeler und Rohrlacker Weg in Barsikow gebracht wurde. Da war zu erwarten, dass beim nächsten Transport der Stein unter einer Ladung Erde für immer verschwinden würde. Er organisierte sich sofort einen schweren Traktor und befestigte den Meilenstein mit einem Drahtseil an der Traktorschiene und zog ihn damit hoch. Das gelang nicht ganz, so dass der Stein teilweise über den Weg geschleppt wurde zur Dorfmitte, wo er ihn vor seinem Haus ablegte. Wenn man es weiß, kann man die Position des Drahtseils noch an den Rändern des Steins sehen. Seitdem er 2013 beim Straßenbau noch einmal neu aufgestellt wurde, steht er jetzt ordentlich als historische Zierde für den westlichen Dorfanger und als Beitrag zum historischen Erbe Barsikows.
Der zweite Halbmeilenstein liegt im Garten des „neuen Schlosses“ auf seiner Seite. Auf dem Bild ist gut zu sehen, wie die Unterseite, die sich normalerweise unter der Erde befindet, unregelmäßig geformt ist.
Der Halbmeilenstein auf dem Kirchenvorplatz wurde aufgemessen, ohne das Stück unter der Erde auszugraben. Deswegen ist die Unterseite nicht exakt.
Aus dem Messungen folgt, dass der Halbmeilenstein, der aus Granit hergestellt wurde, ca. 1,7 Tonnen wiegt.
Über die noch anwesenden Viertelmeilensteine ist weiter nichts bekannt. Olaf Grell schreibt dazu, dass „Abdrucke“ auf dem Stein, der zwischen „Neubau“ und „neuem Schloss“ steht, vermuten lassen, dass diese als Sockel für eine Vase gedient haben könnten. Auf jeden Fall könnte eine solche Anwendung gut zu den weiteren Anwendungen der Meilensteine auf dem Anwesen des Herrn von Kriegsheim gepasst haben. Das Bild zeigt Eisenteile, die offensichtlich mal in die Oberseite des Steins geschlagen wurden, um etwas zu befestigen.
Der Stein an der andere Seite der Dorfstraße hat eine unbeschädigte Oberkante.
2020 sind keine Beschriftungen auf den Halb- und Viertelmeilensteinen mehr sichtbar. Wahrscheinlich sind diese Beschriftungen auch nur mit Farbe aufgetragen worden und im Laufe der Zeit verschwunden.
Zum Schluss gibt es noch einen Rundsockelstein. Solche Rundsockelsteine wurden zum Beispiel in Berlin-Ruhwald und Berlin-Heiligensee aufgestellt. Die Herkunft und Nutzung des Rundsockelsteins in Barsikow ist unbekannt.
Der Standort der Meilensteine, Stand September 2020, finden Sie hier:
- Westlicher Ganzmeilenstein (X Meilen bis Berlin) – vor dem „neuen Schloss“ (nördlich der Dorfstraße)
- Östlicher Ganzmeilenstein (VI Meilen bis Berlin) – vor dem „neuen Schloss“ (nördlich der Dorfstraße)
- Halbmeilenstein 1 – Kirchplatz
- Halbmeilenstein 2 – im privaten Garten des „neuen Schlosses“
- Viertelmeilenstein 1 – am Zaun zwischen dem „neuen Schloss und dem „Neubau“ (nördlich der Dorfstraße)
- Viertelmeilenstein 2 – auf dem Grundstück vor dem ehem. VEG Gelände, neben dem „alten Schloss“ (südlich der Dorfstraße)
- Rundsockelstein – am Wegesrand östlich von den Ganzmeilensteinen (nördlich der Dorfstraße)